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Zurück ins (Arbeits-)Leben mit Ein-Euro-Jobs

(o-ton) Zum ersten April dieses Jahres hat die Regierung mit der Instrumentenreform Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik massiv gekürzt. Betroffen sind hiervon unter anderem öffentlich geförderte Arbeitsstellen wie die Ein-Euro-Jobs. Zukünftig erhalten Anbieter weniger Zuschüsse und die Teilnahmevoraussetzungen werden verschärft. Die Politik argumentiert, die verbesserte Lage auf dem Arbeitsmarkt mache die Instrumente obsolet und spricht von ohnehin geringem Erfolg bei der Integration in den ersten, ungeförderten Arbeitsmarkt.

13 Uhr, Mittagszeit. Die Kostbar, ein kleines Bistro mitten in der Bonner Südstadt ist brechend voll. Gedränge an der Theke, es ist stressig und laut. Freie Plätze im Warmen sucht man vergeblich und so sitzen die Gäste auch bei Wintertemperaturen mit den bereit gelegten Decken draußen bei Suppe, Salat oder den „besten Nußecken Bonns“. Ganz normaler Alltag in einem ganz normalen Bistro. Nur das Caritas-Logo auf den Arbeitsshirts der Mitarbeiter lässt erahnen, dass hier irgendein soziales Projekt dahinterstecken muss, nur welches?

Ein Salat ist nicht auf der Karte. Engagiert schreibt Stefanie* (27) das Gericht auf einen Zettel und klebt ihn an die Kühltheke. Die Gäste sollen ja Bescheid wissen. Aus der anderen Ecke ruft eine neue Mitarbeiterin Nicole* zur Hilfe. Sie versteht den komplizierten Kaffeeautomaten noch nicht so richtig. Kein Problem für die 32-Jährige. Routiniert erklärt sie das Gerät, um sich gleich danach wieder den Gästen zuzuwenden. Geduldig und mit einem Lächeln auf den Lippen.

Das war nicht immer so, erzählt Nicole, die seit sieben Monaten in der Kostbar arbeitet. Das freundliche Gesicht habe sie erst lernen müssen. Ähnlich wie Stefanie, die zwar schon Küchenerfahrung hat, aber erst in den inzwischen drei Monaten in der Kostbar gemerkt hat, dass ihr der Druck und der Stress im Service liegen. Sie mag es, wenn richtig viel los ist. In der Küche stehen, findet sie da fast langweilig. Aber bei aller Vorliebe für den Service, eigentlich mögen die beiden alle Stationen in der Kostbar, denn es ist toll, überhaupt zu arbeiten.

Wenn Arbeit etwas ganz Besonderes ist

Eine Arbeitsstelle. Auch wenn das schwer zu erahnen ist, für Stefanie, Nicole und die anderen der aktuell 38 Mitarbeiter ist das etwas ganz Besonderes, denn sie sind Arbeitslose mit multiplen Vermittlungshemmnissen. So zumindest nennt sie die Arbeitsagentur. Seit 2007 gibt die Kostbar ihnen die Gelegenheit, nach häufig jahrelanger Arbeitslosigkeit wieder zurück in den Arbeitsmarkt zu finden. Das Jobcenter weist der Kostbar Teilnehmer für maximal 12 Monate zu. Die dahinterstehende arbeitsmarktpolitische Maßnahme nennt sich Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung, besser bekannt als Ein-Euro-Job.

Häufiges Vermittlungshemmnis der Kostbar-Mitarbeiter ist eine psychische Erkrankung, aber auch eine (überwundene) Sucht oder körperliche Einschränkungen. Da muss erstmal die Grundarbeitsfähigkeit (wieder-)hergestellt werden, sagt Edith Gonnermann, Ansprechpartnerin von der Caritas. Pünktlichkeit, Ausdauer, Sorgfalt und Zuverlässigkeit, das alles ist bei Langzeitarbeitslosen meist nicht mehr selbstverständlich. Die praktische Arbeit, zusammen mit begleitenden Schulungen zum Umgang mit Kunden oder Bewerbungstrainings, helfen den Teilnehmern auf dem Weg in Richtung ersten Arbeitsmarkt.

Das geht natürlich nicht bei allen von jetzt auf gleich, sagt Frau Gonnermann. Mit etwa 30 Prozent in 2011 habe man aber eine sehr hohe Vermittlungsquote in den ungeförderten Arbeitsmarkt, wenn man bedenkt, dass hier schwere Handicaps vorliegen. Bei den meisten ist die Arbeit in der Kostbar so auch nur einer von weiteren nötigen Schritten in Richtung „echter Job“.

Mit kleinen Schritten in Richtung „echte“ Arbeitsstelle

So wie bei Nicole, die, wie sie selbst sagt, „eine kleine Vorgeschichte hat“, wegen der sie fast zwei Jahre nicht arbeiten konnte. Über den Ein-Euro-Job bei der Kostbar will sie wieder reinkommen ins Arbeiten. „Klein anfangen, bevor ich hinterher kippe“, erklärt sie. Jetzt plant sie schon für die Zukunft und hofft, über ein Praktikum eine Anstellung in der Gastronomie zu bekommen. Ohne die Erfahrungen in der Kostbar hätte ihr für dieses Ziel das Selbstbewusstsein gefehlt. Und auch Stefanie, die sich wegen ihres schlechten Hauptschulabschlusses bisher von Aushilfsjob zu Aushilfsjob hangelte, hat die mittlere Reife nachgeholt. Bald wird sie ein Praktikum in der Küche eines Altenheims machen. Wenn alles gut läuft, wartet dort eine Lehrstelle auf sie.

Kleine Schritte mit dem Ziel „echter Arbeitsplatz“ vor Augen, dabei hilft die Kostbar. Und das ist auch der Zweck, für den die Arbeitsgelegenheiten geschaffen wurden. Menschen mit mehreren Handicaps sollen ans Arbeiten gewöhnt und auf dem Weg in den ersten Arbeitsmarkt unterstützt werden. Den Erfolg an der unmittelbaren Vermittlung in ungeförderte Beschäftigung zu messen, macht also wenig Sinn.

Auch Frau Gonnermann hat kein Verständnis für diese Argumentation. Wenn der Arbeitsmarkt sich erholt und so auch Menschen mit Vermittlungshemmnissen eher in Arbeit kommen, meint sie, bleiben doch gerade „die besonders schwierigen Fälle“ übrig. Und die brauchen eben eine besonders intensive Betreuung. Stefanie und Nicole hat die Kostbar geholfen, sich wieder eine „richtige“ Arbeit zuzutrauen. Ohne die entsprechende Förderung wären sie womöglich auf der Strecke geblieben.

(Reportage vom Januar 2012, *Namen von der Redaktion geändert)

Zum Weiterlesen:

Internetauftritt der KostBar