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Über 15 Prozent der Deutschen von Armut bedroht

(o-ton) 2010 waren 15,6 Prozent der Bevölkerung in Deutschland von Armut bedroht, Tendenz steigend. Das geht aus der Antwort auf eine kleine Anfrage der Linken im Bundestag hervor. Im EU 15-Vergleich liegt Deutschland demnach leicht über dem Durchschnitt von 15,3 Prozent. Junge Menschen unter 18 Jahren sind überdurchschnittlich gefährdet. Die Zahlen deuten zudem auf eine sinkende Wirksamkeit des Sozialsystems bei der Armutsvermeidung hin.

Gemäß EU-Konvention gilt eine Person als armutsgefährdet, wenn ihr Einkommen (dazu zählen auch staatliche Sozialleistungen) weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens eines Landes beträgt. 2010 entsprach dies in Deutschland 826 Euro bei einem Singlehaushalt und 1.735 Euro bei einer vierköpfigen Familie. Unter diese Definition fielen 2010 rund 12,7 Millionen Personen beziehungsweise 15,6 Prozent der Bevölkerung. Das sind 0,4 Prozentpunkte mehr als 2008. Im EU 15-Vergleich liegt Deutschland demnach leicht über dem Durchschnitt von 15,3 Prozent.

Bei der jüngeren Bevölkerung unter 18 Jahren ist der Zuwachs deutlicher. 2010 waren 17,5 Prozent der Altersgruppe von Armut bedroht, 2,3 Prozentpunkte mehr als noch 2008. Im Vergleich mit den EU 15-Staaten liegt Deutschland damit etwa einen Prozentpunkt unter dem Durchschnitt von 18,4 Prozent.

Sozialsystem weniger effektiv bei der Vermeidung von Armut

Das Sozialsystem bewahrt einen erheblichen Teil der Bevölkerung vor Armut. Ohne staatliche Sozialleistungen wären 2010 circa 24 Prozent armutsgefährdet gewesen, 8,6 Prozentpunkte mehr als nach Bezug der finanziellen Unterstützung. Dieser Effekt hat jedoch leicht abgenommen. 2008 bewahrte der Staat noch neun Prozent der Bevölkerung vor der Armutsgefährdung. Die Entwicklung deutet auf eine nachlassende Wirksamkeit des Sozialsystems bei der Vermeidung von Armut hin. Besonders hoch ist das Armutsrisiko bei Arbeitslosen sowie bei Alleinerziehenden und ihren Kindern. 2009 lag die Armutsgefährdungsquote bei diesen Personengruppen bei circa 70 Prozent (Arbeitslose) und 43 Prozent (Personen in Alleinerziehenden-Haushalten).

Die Armutsgefährdungsquote bildet das Ausmaß von Einkommensungleichheit ab, nicht das allgemeine Einkommensniveau. Sie stellt Armut daher relativ zum Standard des jeweiligen Landes dar. Steigt die Quote, bedeutet dies also nicht, dass das durchschnittliche Einkommen sinkt, sondern dass die Unterschiede zwischen arm und reich größer werden. Sinkt oder steigt das Einkommen beispielsweise gleichmäßig, bleibt auch die Quote stabil. In einem gleichmäßig armen Land liegt die Quote niedrig oder bei null, während sie entsprechend in einem wohlhabenden Land mit großen Einkommensunterschieden umso höher ist.

Zum Weiterlesen:

Antwort auf die kleine Anfrage der Linken zu Auswirkungen der EU-Krisenbewältigung auf soziale Standards und Armut in Europa (Drucksache 17/9674)

Armutsgefährdungsgrenze in Euro, Eurostat – Statistischer Dienst der Europäischen Kommission

Ausgewählte Armutsgefährdungsquoten, Bundeszentrale für politische Bildung